Idee und Realität Europas

Festvortrag zum 25-jährigen Bestehen der Osnabrücker Friedensgespräche

Prof. Dr. Roman Herzog
Deutscher Bundespräsident 1994-1999,
Präsident des Bundesverfassungsgerichts 1987-1994

Gesprächsleitung
Joachim Knuth, Norddeutscher Rundfunk

Wir danken dem Theater Osnabrück für folgende Programmbeiträge: Franziska Arndt und Jakob Plutte spielen die Anfangsszene aus dem Stück „Drahtseilakrobaten“ des jungen rumänischen Autors Peca Stefan und Monika Vivell singt, begleitet von Wladimir Krasmann am Klavier, drei Lieder von Bertolt Brecht


Angesichts der Staatsschuldenproblematik einiger Mitgliedsländer ist die Europäische Union und mit ihr die gemeinsame Währung, der 2001 eingeführte Euro, unversehens zum Anlass der Sorge und des Meinungsstreits geworden. Die »Ode an die Freude«, Europas Hymne, erklingt derzeit bestenfalls in Moll. Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hatte mehrfach, zuletzt noch im vergangenen Jahr gewarnt: »Spätestens seit Einführung des Euro ist eine Kontrolle der mitgliedstaatlichen Haushaltsdefizite durch die EU unabdingbar. Denn in der Währungsunion bestehen Möglichkeiten und Anreize für den einzelnen Mitgliedstaat, sich auf Kosten der anderen Staaten übermäßig zu verschulden, weil die Europäische Zentralbank nur mit einer für alle Euro- Staaten einheitlichen Geldpolitik gegensteuern kann«. Schon zuvor, in den Jahren 2007 bis 2009, war es der Vertrag von Lissabon, der als Neufassung eines EU-Verfassungsvertrages nach einzelnen gescheiterten Volksabstimmungen nur mühsam Gestalt gewann. Dabei schien die EU noch 2004 auf dem Höhepunkt ihrer Integrationskraft, als die Mitgliederzahl auf 27 Länder anstieg. Die EU-Erweiterung aber ließ zugleich die Defizite dieser Integration offenbar werden. Unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise schrieb Roman Herzog: »Die EU muss die Akzeptanz, die sie bei vielen Bürgern, aber auch in großen Teilen der Wirtschaft verloren hat, wiedergewinnen. Ohne diese Akzeptanz droht die Zustimmung der Menschen auch zu dem grundsätzlichen Ideal der europäischen Integration bleibenden Schaden zu nehmen – mit unabsehbaren Konsequenzen für die EU, einschließlich der Möglichkeit ihres Scheiterns insgesamt.«

Prof. Dr. Roman Herzog
Deutscher Bundespräsident von 1994 bis 1999 – Geb. 1934 in Landshut, Studium der Rechtswissenschaft in München, 1958 Promotion zum Dr. jur., Assistent bei dem Staatsrechtler Theodor Maunz, 1964 Habilitation. Ab 1965 Professor für Staatsrecht und Politik an der FU Berlin, ab 1969 an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, die er 1971 bis 1972 als Rektor leitete. Ab 1973 Staatssekretär, ab 1978 Kultusminister und ab 1980 Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz. 1983 Berufung zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, 1987 zu dessen Präsidenten. Wahl in das Amt des Bundespräsidenten am 23. Mai 1994. – Roman Herzog ist für sein Wirken vielfach geehrt und ausgezeichnet worden.


25. Oktober 2011, 19:00 Uhr, Kongress-Saal der OsnabrückHalle


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© Osnabrücker Friedensgespräche | Uwe Lewandowski