Europa sieht Deutschland 2011

Polen und Deutsche in zwei Jahrzehnten neuer Freiheit

Festvortrag zum Tag der Deutschen Einheit mit

Prof. Dr. Irena Lipowicz
Bürgerrechtsbeauftragte der polnischen Regierung, ehem. Botschafterin Polens und Parlamentsabgeordnete

Gesprächsleitung
Prof. Dr. Albrecht Weber, Universität Osnabrück


»Solidarität« – so nannte sich seit 1980 die unabhängige Gewerkschaftsbewegung, die Polens Machthaber mit Forderungen konfrontierte, die Lage der Menschen endlich zu verbessern. Sie nahm sich die Freiheit, das Monopol der regierenden Vereinigten Arbeiterpartei anzugreifen und sich in die Politik einzumischen: Solidarnos´c´ siegte überwältigend bei den ersten freien Wahlen im Juni 1989; im Dezember 1990 wurde Gründer Lech Wałe˛sa in einer Volkswahl zum Staatspräsidenten gewählt. Die Staaten des ehemaligen Ostblocks brachen in Richtung Marktwirtschaft auf, und mit ihnen ihre Bevölkerung. Seitdem begegnen sich Deutsche und Polen, die zuvor vor allem unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und dessen Folgen gestanden hatten, immer weniger im Zeichen politischer Vorbehalte.
2004 wurde Polen, zusammen mit neun weiteren Staaten, Mitglied der Europäischen Union. Ökonomisch ist Polen inzwischen zu einem Musterland in der EU geworden, das von der aktuellen Wirtschafts- und Schuldenkrise vergleichsweise wenig betroffen ist. Die polnische Gesellschaft erscheint modernisiert, für eine jüngere, selbstbewußte Generation sind Reise- und andere Freiheitsrechte längst zur Normalität geworden, Unterlegenheitsgefühle schwinden. Unterschiedliche Wirtschaftsinteressen und politische Meinungsverschiedenheiten wie um den Bau einer Gas-Pipeline durch die Ostsee an Polen vorbei, die Stationierung eines NATORaketenabwehrsystems in Polen oder das für Berlin geplante Zentrum gegen Vertreibung bilden nun neue Konfliktfelder zwischen den Nachbarn. Das deutsch-polnische Verhältnis bleibt empfindlich. Was zu seiner Verbesserung getan werden kann, erläutert die Beauftragte für Bürgerrechte der Republik Polen in ihrem Festvortrag unter dem Motto »Europa sieht Deutschland«.

Prof. Dr. Irena Lipowicz
Beauftragte für Bürgerrechte der Republik Polen – Geb. 1953, Studium der Rechtwissenschaft in Kattowitz, dort 1981 Promotion. 1983-84 und 1989-90 Forschungsaufenthalte in Tübingen und Heidelberg als Stipendiatin der Alexander-von-Humboldt-Stiftung; 1992 Habilitation. Seit 1998 Professorin für Verwaltungsrecht an der Kardinal Wyszyn´ski Universität in Warschau. Seit 1980 Engagement in der Solidarnos´c´-Bewegung; von 1991 bis 2000 Abgeordnete im polnischen Parlament, dem Sejm, anschließend Außerordentliche Botschafterin in Österreich und von 2004 bis zur Regierungsübernahme durch Ministerpräsident Kaczyn´ski im Jahr 2006 Sonderbeauftragte Botschafterin für Deutsch-Polnische Beziehungen. Von 2008 bis 2010 war Irena Lipowicz Direktorin der von Deutschland und Polen getragenen Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Für ihr Wirken erhielt sie zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz und im Jahr 2009 die Ehrendoktorwürde der Universität Osnabrück.

3. Oktober 2011, 11 Uhr, Kreiszentrum am Schölerberg


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© Osnabrücker Friedensgespräche | Uwe Lewandowski