Friedensgespräch zum 20. Jahrestag Tag der Deutschen
Einheit
»"Dass ein gutes Deutschland blühe ...«
- so lautet eine Verszeile in Bertold Brechts 1950 verfasstem
Gedicht »Kinderhymne«. Am Sonntag, den 3.
Oktober 2010, 11 Uhr, wird unter diesem Motto der Theologe
und Publizist Friedrich Schorlemmer im Ratssitzungssaal
des Rathauses den Festvortrag zum 20. Jahrestag Tag
der Deutschen Einheit halten. Stadt, Universität und
Landkreis laden gemeinsam zu dieser Veranstaltung ein.
Brechts Gedicht entstand als kritischer Kommentar zur
kurz zuvor getroffenen Bestätigung des »Deutschlandliedes«
als Hymne auch der jungen Bundesrepublik, wenn auch
bei offiziellen Anlässen nur dessen 3. Strophe gesungen
werden sollte. Nach 1990 setzten sich Bürgerinitiativen
für die Kinderhymne als neue deutsche Nationalhymne
ein, und Bundestags-Alterspräsident Stefan Heym zitierte
sie bei der feierlichen Eröffnung des Parlaments im
November 1994.
Mit dem Sprechchor »Wir sind das Volk«
fanden 1989 die Demonstranten in der damaligen DDR ihre
eigene Hymne. Der Massenprotest erzwang die Öffnung
der Berliner Mauer und schließlich den Fall des SED-Regimes.
Über das Ob und das Wie einer staatlichen Einheit mit
der Bundesrepublik gab es heftige Diskussionen. Heute
wird der eingeschlagene Weg in Ost- und Westdeutschland,
bei unseren europäischen Nachbarn und weltweit kaum
mehr in Frage gestellt. Erreichte Freiheiten und erworbener
Lebensstandard, vor allem aber eine weltpolitische Entwicklung,
die den Kalten Krieg und den Ost-West-Konflikt beendete,
lassen den Wunsch nach »blühenden Landschaften«,
wie sie Bundeskanzler Kohl versprach, in mancher Hinsicht
als eingelöst erscheinen.
Friedrich Schorlemmer, 1989 Mitbegründer der Bewegung
»Demokratischer Aufbruch« in Dresden, sieht
indessen - zwanzig Jahre nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages,
der den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik besiegelte
- den Einigungsprozess als nicht abgeschlossen:
»Neben allem Erblühen des Ostens dürfen wir um
der gemeinsamen Zukunft unseres vereinigten Vaterlandes
nicht die Augen davor verschließen, dass ganze Stadtteile
- etwa im Leipziger Osten - vor sich hin gammeln oder
dass weiter jüngere Menschen scharenweise in den Westen
abwandern. Dieser gerade so wunderbar aufgebaute Osten
wird mittelfristig veröden, wenn es nicht eine langfristige
Strukturpolitik gibt.«
Der 1944 in Wittenberge geborene Schorlemmer studierte
Theologie in Halle und wurde anschließend Studieninspektor
in den Franckeschen Stiftungen und Vikar in Halle. Von
1971 bis 1978 war er Jugend- und Studentenpfarrer in
Merseburg. Als Dozent am Evangelischen Predigerseminar
und Prediger an der Schlosskirche wirkte er bis 1992
in Wittenberg, wo er bis 2007 Studienleiter der Evangelischen
Akademie war. Als Publizist ist Schorlemmer Mitglied
im deutschen P.E.N.-Zentrum, Mitherausgeber des FREITAG
und der Blätter für deutsche und internationale Politik
sowie Beirat der Zeitschrift Universitas. 1989 wurde
Schorlemmer die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen
Liga für Menschenrechte verliehen, 1993 erhielt er den
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. Die Gesprächsleitung
hat Prof. Dr. Roland Czada, Vorsitzender des Wissenschaftlichen
Rates der Friedensgespräche.
|