I. Presse-Information, 15. August 2000
Programmänderung bei den Friedensgesprächen
Günter Wallraff und Mehmed Uzun zur kurdisch-türkischen Problematik

Wie Günter Grass und Yasar Kemal, deren Zusammentreffen bei den Friedensgesprächen ursprünglich für den 18. Oktober vorgesehen war, gehören Mehmed Uzun und Günter Wallraff zu den Erstunterzeichnern des internationalen »Appells für Demokratie, Menschenrechte und die politische Lösung der kurdischen Frage«, der im Herbst 1999 in Istanbul von den Initiatoren, den Schriftstellern Kemal, Altan, Pamuk, Livaneli und Uzun der Presse vorgestellt wurde. Wegen der angegriffenen Gesundheit Kemals wurde das Treffen in Osnabrück mit dem ihm befreundeten Günter Grass jetzt abgesagt. Günter Wallraff hat sich immer wieder besonders für verfolgte Schriftsteller eingesetzt: 1993 organisierte er bei Bonn ein Treffen zwischen dem von iranischen Mullahs mit dem Tod bedrohten Salman Rushdie und dem türkischen Satiriker Aziz Nesin. 1997 erregte Wallraff mit seinem Besuch bei PKK-Chef öcalan Aufsehen. Wallraff unterstützte seither die Kritik kurdischer Dissidenten an der »autoritären Diktatur« des PKK-Führers und den Kult um dessen Person. Selbst zeitweise Drohungen von PKK-Seite ausgesetzt, engagiert sich Wallraff weiterhin für die Rechte der Kurden in der Türkei. Im Dialog mit dem in Stockholm lebenden kurdischen Schriftsteller Mehmed Uzun wird Günter Wallraff am Mittwoch, den 1. November 2000, 19 Uhr, in der Aula der Universität den aktuellen Stand des türkisch-kurdischen Spannungs­verhältnisses und dessen künftige Perspektiven untersuchen. Titel der Veranstaltung: »Demokratie in der Türkei - Gleiche Rechte für die Kurden«. Mit Blick auf die Türkei sagte Wallraff: »Dort sind Folter und Misshandlung immer noch an der Tagesordnung. Dort wird jemand wegen seiner Sprache, seiner Kultur verfolgt. Das sind -zigtausende Menschen, die keine Lobby haben. Die Bundesrepublik wäre verpflichtet, ihren Einfluss massiv geltend zu machen, was bisher nicht passiert, oder höchstens als Pflichtübung, um die öffentlichkeit zu beruhigen.«

 

II. Presse-Information, 24. Oktober 2000
Frieden in Sicht zwischen Türken und Kurden?
»Osnabrücker Friedensgespräch« mit Günter Wallraff und Mehmed Uzun zur Lage der Kurden in der Türkei

»Die ungefähr fünfzehn Millionen Kurden in der Türkei sind fest verwurzelte Staatsbürger der Türkischen Republik. Sie haben nur einen Wunsch: In der Einheit der Türkischen Republik, mit ihrer eigenen Sprache und kulturellen Identität lebend, freie Staatsbürger zu werden«, heißt es in einem Internationalen Aufruf, den Schriftsteller um Yasar Kemal und Mehmed Uzun vor kurzem initiiert haben. In der Reihe der Osnabrücker Friedensgespräche werden am Mittwoch, den 1. November 2000, 19 Uhr, Mehmed Uzun der heute im schwedischen Exil lebt, und Günter Wallraff in der Aula der Universität zusammentreffen. Motto der Veranstaltung: »Demokratie in der Türkei – Gleiche Rechte für die Kurden«. Der türkisch-deutsche Publizist Ömer Erzeren aus Berlin wird in das Thema einführen und das Gespräch leiten. Der auch von Wallraff und Günter Grass unterzeichnete Aufruf beschreibt den leidenschaftlichen Wunsch der Kurden so: »In Kurdisch als eigener Sprache zu schreiben, zu lesen und Ausbildung zu erhalten. Mit der eigenen kulturellen Identität zu leben, zu arbeiten und zu dienen«. Die Unterzeichner fordern weiter: »Die Türkei sollte nun mit einem der gesamten Welt und dem neuen Jahrhundert ein Beispiel gebenden Schritt die kurdische Frage lösen und seine kurdischstämmigen Staatsbürger umarmen. Wir glauben, dass ein solcher demokratischer und zivilisierter Schritt die Türkei ökonomisch, sozial und kulturell stärken und bereichern wird.«
Günter Wallraff, der in Deutschland durch seine Reportagen nach verdeckten Recherchen als BILD-Zeitung Journalist oder als türkischer Industriearbeiter »Ali« bekannt wurde, engagiert sich seit Jahren im Konflikt zwischen Türken und Kurden. So kritisierte er gleichermaßen die vom türkischen Militär beherrschte Kurdenpolitik wie auch die autoritäre Kurdenorganisation um PKK-Führer Öcalan. Wallraff weist dabei auch auf deutsche Verantwortlichkeiten hin: »Deutschland hat diesen Kurdenkrieg mit angeheizt und hat jahrelang bedenkenlos durch Lieferungen von Panzern, Maschinengewehren und Minen zu den kriegerischen Aktionen eines nie erklärten Krieges gegen die kurdische Bevölkerung beigetragen. Was jetzt vor allem geschehen muss, ist ein Neubeginn der Türkeipolitik innerhalb Europas.« Von den Emotionen, von denen die Auseinandersetzung auf beiden Seiten begleitet waren, sind auch Kurden und Türken in Deutschland und ihre Familien nicht ausgenommen. Günter Wallraff: »Ich sehe hier Chancen für die Überwindung der Konflikte, weil diese Menschen einen distanzierteren Blick haben. Sie können aus dieser Distanz die positiven Seiten der jeweiligen Kulturen anerkennen. Viele aus der zweiten und dritten Generation tun dies bereits. Wir brauchen gerade solche Menschen, die in beiden Kulturen stehen und dadurch überhaupt Brücken für ein neues Europa bauen können.«